Zwischen dampfenden Lokomotiven, aufblühenden Fabriken und der ersten Ahnung von Wirtschaftswunder lag auch ein anderes Spielfeld der Gründerzeit – das Glücksspiel. Während draußen die Industrialisierung rollte, wurde drinnen auf rote und schwarze Zahlen gesetzt, auf Karten geschaut und auf das große Glück gehofft. Doch das Spiel mit dem Zufall war in dieser Zeit alles andere als einheitlich geregelt.
Regionale Freiheit und preußisches Verbot
Im deutschen Raum vor 1871 war Glücksspiel Sache der Einzelstaaten. Preußen machte früh Ernst mit Verboten. Mit Disziplin und Moral als Argumente. Spielbanken galten dort als moralisches Risiko, das man lieber gleich aus dem Verkehr zog. Anders sah es in kleineren Fürstentümern aus. Hessen-Homburg zum Beispiel setzte voll auf den Spielbetrieb, als Mittel zur wirtschaftlichen Entwicklung. Glücksspiel war dort weniger Sünde, sondern schlicht eine gute Einnahmequelle.
Das führte zu einem rechtlichen Zickzackkurs: In der einen Stadt war das Spielen erlaubt, im Nachbarort illegal. Besonders Kurorte nutzten ihre Eigenständigkeit geschickt aus. Wer das Spiel anbot, brauchte aber eine Konzession. Die war zeitlich befristet, streng geregelt und politisch heikel. Denn sobald ein Land seinen Status verlor und etwa an Preußen fiel, war auch das Glücksspiel passé.
Heute muss niemand mehr in ein Fürstentum reisen, um legal sein Glück zu versuchen. Wer möchte, findet mit ein paar Klicks die beste Online Spielothek ganz bequem von der Couch aus. Aber damals war das Angebot noch deutlich verstreuter genehmigt und es gab viel Unsicherheit darüber, wie lange es selbst in den etablierten Einrichtungen erlaubt bleiben würde.
Welche Spielformen offiziell erlaubt und welche verboten waren
Die erlaubte Palette war überschaubar, aber dafür glänzend inszeniert. In konzessionierten Spielbanken durfte klassisch gespielt werden: Roulette, Trente et Quarante und teilweise Baccarat. Alles, was mit reinem Zufall zu tun hatte, wurde kritisch beäugt. Besonders Kartenspiele wie Poker oder Blackjack gerieten schnell unter Verdacht. Wenn sie heimlich in der Kneipe gezockt wurden, gab es schnell Ärger.
Lotterien ja, aber nur unter Aufsicht und mit guter Begründung. Zum Beispiel wenn die Einnahmen für wohltätige Zwecke gedacht waren. Wer einfach so eine Tombola ausrief, riskierte eine saftige Strafe. Pferdewetten waren noch eher ein Ding der feinen Gesellschaft. Die große Masse war da nicht mit im Rennen. Der Unterschied war klar: In der Gründerzeit war staatlich kontrolliertes Spiel erlaubt. Wildes Würfeln im Hinterzimmer verboten.
Bad Homburg und andere Kurorte
Die Spielbank von Bad Homburg war nicht nur eine Geldmaschine, sie war ein Statement. Gegründet von den Gebrüdern Blanc, die schon in Frankreich mit dem Glück ihr Glück gemacht hatten, wurde sie schnell zum Magneten für den europäischen Geldadel.
Der Deal mit dem Landgrafen war simpel: Glücksspiel gegen Stadtentwicklung. Dafür entstanden Kurhaus, Parkanlagen und eine mondäne Atmosphäre, die Gäste aus ganz Europa anzog. Bad Homburg war kein Einzelfall. Auch in Wiesbaden oder Baden-Baden blühte das Zusammenspiel aus Kur, Komfort und Casino. Glücksspiel war hier Teil eines Images, das Reichtum versprach oder zumindest für ein Wochenende inszenierte.
Wie politische Machtverschiebungen das Glücksspiel verdrängten
Die Annexion kleiner Fürstentümer durch Preußen ab 1866 bedeutete nicht nur politische Veränderung, sondern auch das Ende vieler Spielbankträume. Preußen ließ das Glücksspiel nur noch eine Zeitlang gewähren und machte dann 1872 endgültig dicht. Ein einheitliches Verbot im gesamten Deutschen Reich wurde durchgesetzt. Das Argument war klar: Glücksspiel fördere Trägheit, Verfall und Unsittlichkeit. Wer etwas aus sich machen wollte, sollte arbeiten statt zocken. Das neue Kaiserreich setzte auf Ordnung, nicht auf Glücksritter.
Gesellschaftliche Wahrnehmung von Glücksspiel
Spielbanken waren faszinierend, aber auch umstritten. Während der Geldadel sich dort die Zeit vertrieb, sah die Kirche rot. Glücksspiel galt als moralischer Fehltritt mit Folgen. Gleichzeitig war es für Städte wie Bad Homburg ein wirtschaftlicher Standortfaktor, ganz ohne Fabrikrauch. Die Gesellschaft war gespalten.
Die einen fanden es verwerflich, die anderen mondän. Besonders das Bürgertum schwankte zwischen Faszination und Abscheu. Das Narrativ der „Unsittlichkeit“ wurde politisch genutzt, um das Glücksspiel zu verbieten, obwohl es oft gut reguliert war.
Warum Glücksspielverbot nicht gleichbedeutend mit Glücksspielende war
Auch nach dem Verbot wurde weiter gespielt, eben heimlich. In Privathäusern, Hinterzimmern oder auf Reisen ins Ausland. Wer es sich leisten konnte, fuhr nach Frankreich oder Monaco. Die Spielleidenschaft ließ sich nicht einfach abschalten. In vielen Städten wurden illegale Runden geduldet, solange sie nicht ausarteten. Das große Glück hatte nur einen anderen Ort gefunden.